MELISSANTES – Ein Thüringer beschreibt die Welt des Barock.
Ausstellung im Schlossmuseum Arnstadt vom 15.November 2014 bis 8. März 2015.
Von 1706 bis 1720 wirkte und wohnte der freischaffende Schriftsteller, Geograph und Historiker Johann Gottfried Gregorii (1685–1770) in Arnstadt. Erstmals präsentiert eine Gesamtausstellung mit etwa 150 meist originalen und einmaligen Ausstellungsstücken, auf neusten Forschungsergebnissen und Manuskriptfunden basierend, das Leben und Werk des bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts sehr bekannten Universalgelehrten.
Von der schwarzburgischen Residenzstadt aus publizierte der gleichaltrige Zeitgenosse von Bach zumeist unter dem Pseudonym MELISSANTES ein damals deutschlandweit bekanntes und international wahrgenommenes geographisches Informationssystem für Schüler, Bürger, Bauern und Reisende. Auch der erste Thüringenführer aus dem Jahr 1711, wohl zugleich der erste deutsche Regionalführer überhaupt, mit Angaben zu Sehenswürdigkeiten und zur Hotellerie, entstammt seiner Feder. Bereits 1708 philosophierte MELISSANTES über die deutsche Einheit. Bertuch bezeichnete MELISSANTES einhundert Jahre später als ersten Autor, der für ein gesamtdeutsches Publikum schrieb und mit seinen Büchern den nationalen Einheitsgedanken verbreitet hat. Im Jahr 1723 vertextete er einen Taschenatlas von Deutschland. Sieben Jahrzehnte vor Knigge veröffentlichte MELISSANTES ein bekanntes Benimmbuch, welches auch einen Fürstenspiegel und gegenüber den Traditionen der Ständegesellschaft visionäre Ideen zur planvollen und optimierbaren Berufswahl enthielt. Die Brüder Grimm, Ludwig Bechstein, Achim von Arnim und andere rezipierten später seine Sagenüberlieferungen – darunter Sagen wie „Der Rattenfänger von Hameln“, die Kyffhäusersage, „Der Graf von Gleichen“, „Faustens Höllenzwang“ oder „Wilhelm Tell“. Charlotte von Schiller und Johann Wolfgang von Goethe zählten zu seinen prominenten Lesern.
Auf dem Höhepunkt seiner Schriftstellerkarriere angelangt, begann der Magister der Theologie ab 1720 sein Wirken als lutherischer Pfarrer in Siegelbach und Dosdorf, ab 1733 in Dornheim, wo er sich auch um das regionale Schulwesen kümmerte und die Erhaltung der Traukirche von Johann Sebastian Bach beförderte.
Durch geographische Lehrbücher, Atlanten, Lexika, Genealogien, Psychologie- und Benimmratgeber sowie Berufsbeschreibungen (Glockengießer, Organist, Orgelmacher, Porzellanfabrikanten, Feldmesser, Kupferstecher, Buchhändler, Imker, Medicus, Bierbrauer, Büchsenmacher, Kaffeehändler u.v.a) gewährt MELISSANTES der Nachwelt einzigartige, authentische und wunderbare Einblicke in die Welt des Barock, welche den Ausstellungsbesuchern anschaulich illustriert dargeboten werden sollen. Informativ und amüsant zugleich ist Dank MELISSANTES zudem etwas darüber zu erfahren, wie die Deutschen, insbesondere die Thüringer, vor dreihundert Jahren stereotyp über andere Nationaltäten (z.B. Franzosen, Engländer, Italiener, Schweizer, Grönländer) dachten. Neben weiteren Ausstellungsschwerpunkten wie z.B. Gregoriis Beiträgen zur Musikwissenschaft und zur Kartographiegeschichte oder der Etablierung des politisch-geographischen Journalismus in Erfurt wird der Frage nachgegangen: Hat MELISSANTES jemals Bach getroffen?
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